Bijan Djir-Sarai

Plenarrede zur Hinrichtung Navid Afkaris und der deutschen Iran-Politik

Plenarrede

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Als mich am vergangenen Samstag während einer Autofahrt die Nachricht erreichte, dass Navid Afkari hingerichtet wurde, musste ich von der Autobahn abfahren, anhalten und nachdenken. Ich war in dem Moment unfassbar traurig, einsam, frustriert und wütend. Und ich bin immer noch wütend, weil im Iran immer noch unzählige Menschen grundlos im Gefängnis sitzen. Sie werden für lange Zeiträume festgehalten, zermürbt und gefoltert. Im heutigen Iran erhalten Menschen grundlos die Todesstrafe, oder sie werden bei Demonstrationen direkt erschossen. Man könnte sagen, das gehört dort quasi zum Tagesgeschäft der sogenannten Islamischen Republik.

In diesen Tagen muss man genau hinhören, was die Menschen im Iran uns sagen wollen. Das Regime der Islamischen Republik Iran wollte mit dem Fall Navid Afkari ein Exempel statuieren. Die Botschaft des Regimes lautete: Niemand soll es wagen, seine Stimme gegen das System zu erheben. Die Mullahs und die Revolutionswächter machen kurzen Prozess. Niemand ist vor ihnen und ihrem Machtapparat sicher.

Meine Damen und Herren, ich bin ein deutscher Bundestagsabgeordneter, der im Iran geboren wurde. Sie können sich denken, dass mir Nachrichten wie die vom Tod von Navid besonders nahegehen. Hätten wir, hätte die deutsche Politik ihn vor seinem Schicksal retten können? Ich weiß es nicht. Fakt ist, dass der junge Mann und viele Menschen, die für ihre Freiheit demonstriert haben, heute tot und nicht mehr unter uns sind. Was ich aber definitiv weiß, ist, dass diese Bundesregierung gemeinsam mit ihren EU-Partnern wesentlich mehr machen könnte.

Meine Damen und Herren, die eklatanten Menschenrechtsverletzungen im Iran dürfen nicht mehr ignoriert werden und müssen zu einer Änderung der Iran-Strategie der Europäischen Union führen. Wirtschaftssanktionen, die eine ganze Bevölkerung treffen, sind nicht zielführend. Ein ganzes Volk zu bestrafen, ist der falsche Weg. Wir dürfen nicht das iranische Volk bestrafen, wir müssen diejenigen bestrafen, die für diese Verbrechen verantwortlich sind, meine Damen und Herren!

Die führenden geistlichen und politischen Eliten des Iran haben seit der islamischen Revolution einen unglaublichen Reichtum angehäuft, man könnte auch sagen: gestohlen. Während die Bevölkerung leidet, leben sie ein gutes Leben, haben ihr Geld ins sichere Ausland gebracht, gehen in den Ländern ein und aus, gegen die sie sonst in ihren Predigten hetzen. Es kann nicht sein, dass Iranerinnen und Iraner mit Sanktionen hart bestraft werden, während die Unterdrücker im Ausland hofiert werden, meine Damen und Herren, übrigens auch von dieser Bundesregierung hofiert werden. Das kann nicht sein.

Es ist die Pflicht von jedem von uns und auch der Bundesregierung, Menschenrechtsverletzungen klar zu benennen und zu verurteilen. Und wer, wenn nicht wir, sollte sich an die Seite der mutigen iranischen Zivilgesellschaft stellen, die für Freiheit und Demokratie kämpft? Und wenn wir, meine Damen und Herren, von interessengeleiteter Außenpolitik sprechen, dann muss doch ein einziger Blick in den Nahen Osten reichen, um zu erkennen, dass das islamistische Mullah-Regime seit Jahren die gesamte Region destabilisiert und Krieg und Terror exportiert. Das kann nun wirklich nicht im Interesse Deutschlands und der europäischen Außenpolitik sein, meine Damen und Herren.

Was können wir also tun, wenn diplomatischer Druck und Wirtschaftssanktionen nicht greifen? Ein europäisches Magnitski-Gesetz ist dabei ein wichtiger Schritt, der schnellstens umgesetzt werden muss; denn Personen, die systematisch entgegen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte handeln, können so gezielt zur Rechenschaft gezogen werden. Ich betone es immer wieder, meine Damen und Herren: Die iranische Gesellschaft hat die allerbesten Voraussetzungen, um einen erfolgreichen und demokratischen Staat aufzubauen. Das Land bringt unglaublich gut ausgebildete junge Frauen und Männer hervor, die sich nichts lieber wünschen, als in Frieden und Freiheit zu leben. Es wäre wünschenswert, wenn sie wenigstens wüssten, dass sie im Kampf um die Durchsetzung ihrer Menschenrechte nicht alleine sind.

Es ist nicht die Aufgabe der deutschen oder europäischen Politik, sich in die innenpolitische Situation im Iran einzumischen. Es ist aber unsere Pflicht, deutlich zu machen, dass Menschenrechte universell und unteilbar sind. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.