Bijan Djir-Sarai

Plenarrede anlässlich des Angriffs der Türkei auf Nordsyrien

Bijan Djir-Sarai im deutschen Bundestag

Die Kurden haben in Nordsyrien an der Seite der USA gegen den sogenannten islamischen Staat gekämpft. Ohne die Unterstützung der syrischen Kurden hätte der IS nicht so schnell besiegt werden können. Seit einer Woche müssen wir nun entsetzt zusehen wie das türkische Militär einen blutigen Angriffskrieg gegen die in Nordsyrien lebenden Kurden führt.

Die Offensive des sogenannten Bündnispartners Türkei erfolgt dabei weder durch ein Mandat der NATO noch der Vereinten Nationen. Sie richtet sich nicht gegen den Terrorismus, sie richtet sich gegen die Menschen in der betroffenen Region.

Selbstverständlich hat die Türkei legitime Sicherheitsinteressen, die auch berücksichtigt werden müssen. Dieser Krieg hat aber nichts mit Sicherheitsinteressen und Selbstverteidigung zu tun. Dieser Einsatz ist ein Angriffskrieg und klar völkerrechtswidrig. Er gilt einzig, mit allen Mitteln, den Einfluss der Kurden in diesem Gebiet zu zerstören und von eigenen innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken.

Das Ausmaß der Offensive ist nur schwer zu ertragen, bereits jetzt wissen wir von unzähligen Toten, hunderttausende sind erneut auf der Flucht. Innerhalb weniger Tage haben sich die Machtverhältnisse in der Region verschoben. Erdogan stürzt mit dieser Offensive die gesamte Region ins Chaos und ermöglicht ein Wiedererstarken des IS. Schon jetzt konnten sich mehrere hundert IS-Kämpfer aus den kurdischen Gefängnissen befreien.

Dieser Krieg ist in erster Linie schrecklich für die betroffenen Menschen vor Ort, er ist aber auch eine Bedrohung für internationale und vor allem für deutsche/europäische Sicherheitsinteressen.

Ja, der Entschluss des U.S Präsidenten seine Truppen aus Nordsyrien abzuziehen und seine kurdischen Verbündeten im Stich zu lassen, ist verantwortungslos gewesen. Doch was hat Europa gemacht? Wo ist die europäische Außen- und Sicherheitspolitik?

Europa war während des gesamten Kriegs in Syrien kein politischer Akteur und Europa wird auch die Nachkriegsordnung in Syrien verschlafen. Der Krieg in Syrien ist ein Totalversagen der EU in der Außenpolitik. Denn eins ist sicher, dieser Krieg, diese Katastrophe in Nordsyrien hätte verhindert werden können!

Nicht erst seit gestern wissen wir wie es um die aktuelle Nahost Strategie der aktuellen amerikanischen Regierung bestellt ist. Und nicht erst seit gestern wissen wir von den Plänen des türkischen Präsidenten in Nordsyrien. Sowohl der türkische Einmarsch in Afrin 2018 also auch die innenpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre hätten Anlass genug sein sollen eine angemessene Strategie zu entwickeln.

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Ich bedauere zutiefst dass die Bundesregierung es nicht  den Franzosen gleichtut und den türkischen Botschafter einbestellt. Ich bedauere zudem, dass die europäische Union auch jetzt nicht mit einer Stimme spricht und sich nicht auf ein EU-weites Waffenembargo einigt. Und noch viel schlimmer, wie kann es sein, dass diese Bundesregierung ein EU-weites Waffenembargo blockiert und sich gegen weitere Maßnahmen ausspricht?

Rüstungsexporte in Konfliktregionen auszuschließen sollte schon lange ein Automatismus der deutschen Außenpolitik sein, denn hier geht es nicht um Geschäfte, hier geht es um Menschenleben. Dennoch, wird sich Ankara von einem Rüstungsexportstopp alleine nicht beeindrucken lassen. Daher fordern wir ein sofortiges Einfrieren der deutschen Hermes-Bürgschaften. Auch Personenbezogene Sanktionen gegen verantwortliche türkische Politiker sollten wir nicht ausschließen. Wir wollen nicht, dass türkische Volk bestrafen, wir wollen aber dass die verantwortlichen Politiker zu Rechenschaft gezogen werden.

Die Außenpolitik der Europäischen Union kann nicht länger von den Erpressungen der türkischen Regierung bestimmt werden. Damit das gelingt brauchen wir endlich eine nachhaltige Strategie für eine syrische Nachkriegsordnung.

Deutschland hat die Türkei bisher als Partner bevorzugt betrachtet. Aber ein Staat, der sich nicht an internationale Absprachen und geltendes Recht hält, muss mit politischen Konsequenzen rechnen.

Die türkische Regierung hat mit diesem Einsatz einmal mehr die rote Linie überschritten. Das Land verhält sich nicht, wie wir es von einem NATO-Partner erwarten dürfen. Deshalb erwarten wir an dieser Stelle von der Bundesregierung und der Europäischen Union eine klare Positionierung und vor allem dass sie aufwachen und endlich vor der eigenen Haustür politisch handlungsfähig werden.