Bijan Djir-Sarai

Plenarrede zum Thema Nuklearwaffen

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Um es direkt auch hier am Anfang der Debatte ganz deutlich zu sagen: Das Ende des New-START-Vertrages wäre nicht nur bedauerlich, sondern außerordentlich gefährlich für Deutschland, für Europa und übrigens für die gesamte internationale Gemeinschaft. Nach dem Scheitern von INF, JCPoA und Open Skies ist New START faktisch einer der letzten großen Kooperationen der internationalen Rüstungskontrolle. Gerade deshalb, meine Damen und Herren, muss alles darangesetzt werden, damit nicht auch noch dieser Vertrag scheitert. Gerade in unsicheren Zeiten wie diesen muss auf die Verbindlichkeit internationaler Verträge besonders geachtet werden.

Die Bundesregierung hätte ihre Bemühungen sowohl bilateral als auch innerhalb des NATO-Bündnisses schon längst intensivieren müssen; denn nicht erst seit gestern wissen wir, wie Präsident Trump mit internationalen Abkommen umgeht. Auch wird bei dieser Debatte viel zu oft vergessen, worum es eigentlich hier geht: Es geht um eine nachhaltige Sicherheitsarchitektur für Deutschland und Europa. Viel früher hätte die Bundesregierung auf die immer wieder im Raum stehenden Vorwürfe der Vertragsverletzung Russlands reagieren müssen. Viel früher hätte die Bundesregierung auf die zum Teil berechtigte Kritik der US-Administration eingehen müssen. Es war nicht die Trump-Administration – das ist ja vorhin schon gesagt worden –, die diese Debatte angestoßen hat. Diese Debatte hat schon in der Obama-Administration existiert, meine Damen und Herren.

Auch die Tatsache, dass Staaten wie Iran und Pakistan nuklear aufrüsten, stellt die Sinnhaftigkeit einiger Verträge seit geraumer Zeit infrage. Die internationalen Regelwerke müssen daher der politischen Realität angepasst werden. Unser ehemaliger Außenminister Guido Westerwelle hat sich immer für eine atomwaffenfreie Welt eingesetzt. Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen müssen ein zentrales Anliegen deutscher Außenpolitik sein. Dennoch dürfen wir auf dem Weg dahin – und das ist der große Unterschied – nicht naiv sein. Eine einseitige, von hier ausgehende Abrüstung wäre nicht nur naiv, sondern gefährlich. Übrigens: Auch das hat Guido Westerwelle immer gesagt. Ich sage das, weil hier in den Debatten gelegentlich unser Freund Guido Westerwelle falsch zitiert wird.

Man kann nicht – das ist das, was man dieser Bundesregierung und auch einigen, die sich in dieser Debatte äußern, vorwerfen muss – auf der einen Seite Multilateralismus predigen und auf der anderen Seite zugleich den Ausstieg aus multilateralen Bündnissen mit demselben Zungenschlag fordern. Ein derartiger Schritt würde Deutschland in der NATO isolieren. Es wäre schlecht für Deutschland, schlecht für Europa und übrigens auch schlecht für die NATO. Deutschland kommt eine besondere Verantwortung zu. Deutschland muss außen- und sicherheitspolitisch endlich mehr Verantwortung übernehmen.

Meine Damen und Herren, die Welt von heute ist viel komplizierter und komplexer geworden. Dementsprechend ist Abrüstung heute viel komplizierter und komplexer als vor einigen Jahren. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie sich mit der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft mit aller Kraft für eine sinnvolle und nachhaltige Sicherheitsarchitektur in Europa einsetzt.